Gott ist ein Massenmörder

Mehr noch als die Trümmer oder die menschenleeren Siedlungen am Meer sind es die Berichte der Menschen, die der Euskirchener Gruppe vor Augen führen, wie schrecklich der Tsunami am 26. Dezember in der Region Batticaloa im Osten Sri Lankas wütete.

SRI LANKA. „Gott ist ein Massenmörder. Er nahm Männer und Frauen, Babys, Kinder, und Alte..., aber er ist ein guter Gott!“, sagt Frater Joseph Mary s.j., 68-jähriger Jesuit und Priester der St. Ignatius-Kirche in Kallady-Dutch Bar (ein Stadtteil Batticaloas im Osten Sri Lankas). Der katholische Geistliche erlebte die Schrecken des Tsunami am 26. Dezember. „Die Frühmesse war gerade vorbei, die Leute waren nach Hause gegangen. Ich saß beim Frühstück, als Suresh, einer meiner Messdiener, schrie: ,Wasser, Wasser, das Wasser kommt! “

Frater Joseph Mary s.j. berichtet, wie die Flutwelle des zweiten Weihnachtstags das Leben in seiner Gemeinde so grundlegend veränderte. „Die See breitete ihre Fänge aus. Frater Joseph, seit 50 Jahren Jesuit und seit 30 Jahren Priester, erinnert sich, dass er nach draußen lief. „Rennt in die Kirche - alle in die Kirche!“, habe er den Menschen zugerufen. Christen wie Hindus seien ins Gotteshaus geflüchtet, flehten Gott an, er möge sie retten. Frater Joseph erzählt, wie auch er auf Knien, dann wieder laufend, die Hände ausgestreckt, dann gegen die Brust schlagend, laut gefleht habe: „Vater, halte das Wasser in der Bucht.“

Die erste Welle, so erinnert sich der 68-jährige Priester, sei nicht so hoch gewesen. Doch die zweite habe die Kirchentüren aufgedrückt. Dann hätten er und die 40 Menschen, die sich mit ihm in die Kirche geflüchtet hatten, hüfthoch im Wasser und Treibgut gestanden. Sie retteten sich über Seile auf ein Vordach und waren in Sicherheit. Nach etwa 30 Minuten sei das Wasser wieder zurückgegangen.

Eine schwere Aufgabe wartete auf „Frater Joe“ und die anderen Überlebenden. Die Toten wurden geborgen, aus Schlamm und Treibgut. Tagelang.

Es gab auch die „Tsunami-Wunder“

Aus seiner Gemeinde, so berichtet der Priester, hatten 166 Menschen ihr Leben lassen müssen. In den Leichenhallen sei schnell kein Platz mehr gewesen. Die Opfer seien in Fluren und auf Verandas aufgebahrt worden. Viele der Leichen habe man nicht mehr identifizieren können. Manchmal seien bis zu zehn Tote in einem Grab bestattet worden.

Es habe aber auch die „Tsunami-Wunder“ gegeben. Zwei Jungen, zwei Frauen und ein Mann seien in die Lagune gespült worden. Sie hätten es geschafft, sich an Planken festzuhalten. Alle wurden vier bis sechs Meilen entfernt wieder an Land angespült.

Wirtschaftlich am härtesten, so Frater Joseph, habe es Tischler, Bauarbeiter, Schneider und andere Handwerker getroffen. Viele von ihnen seien Tagelöhner gewesen. Viele verloren ihre wichtigste Habe: ihr Werkzeug. Sie ständen vor dem Nichts: kein Werkzeug, kein Geld, um neue zu kaufen, keine Arbeit. Die Landarbeiter seien in einer vergleichsweise besseren Lage. Sie könnten weiterhin im Landesinneren ihrer Arbeit nachgehen.

Dringend benötigt, so sagt Frater Joseph, würden derzeit Werkzeuge, damit die Menschen wieder arbeiten können: Nähmaschinen, Webmaschinen, Netze und Boote. Und Baumaterial, um die Häuser wieder aufzubauen.

Für die vielen Kinder, die ihre Eltern verloren haben, müsse ein Weisenhaus und eine Schule gebaut werden. Doch dies müsse gleichzeitig ein Zuhause sein - und keine Verwahranstalt.

Auch eine medizinische Basis würde sich Frater Joseph für Kallady-Dutch Bar wünschen. Vor der Welle mussten die Kranken in eine Klinik nach Batticaloa gebracht werden. Eine Ambulanz mit vier bis sechs Betten würde eine kontinuierliche medizinische Versorgung vor Ort sicherstellen.

Nach der Katastrophe hat die Kirchengemeinde 25 provisorische Häuser aufgebaut. Was Frater Joseph nicht beachtet hatte: Da es in diesen Häusern keine Toiletten gab, kamen die Frauen nicht zurück.

Am Sonntag waren etwa 100 Menschen in der Frühmesse. Das seien sehr wenige gewesen. Der Ort sei derzeit noch ein Geisterdorf. Doch Frater Joe ist sicher, dass die Menschen zurückkehren werden. Man müsse ihnen Zeit geben. Es sei erst zwei Monate her, dass das Wasser ihnen so vieles genommen hatte. „Ich bete zu Gott, dass er die Wunden heilt, den Menschen ihre Angst nimmt und ihnen hilft, sich wieder als Gemeinde zusammenzufinden.“

Frater Joseph ist einer der Menschen, die einen Teil dazu beitragen.

(Ramona Hammes)


[ nach oben ] [ zurück ]


(C) 2005 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken