Überlebt haben die Männer

Heller, feiner Sand, türkisblaues Wasser, Kokospalmen. Ein leichter Wind weht. Auf den ersten Blick bietet sich eine Traumurlaubsidylle. Doch das, was aus der Ferne aussieht wie Strandgut, entpuppt sich als Reste menschlicher Existenz.

SRI LANKA. Hier liegt ein einzelner Schuh, dort ein T-Shirt. Leuchtend bunt lugt ein Sari aus dem Chaos. Ein vom Wasser durchnässtes und der glühenden Sonne getrocknetes Buch, ein zerbrochener Glasteller. Das Fleckchen Erde, das sich wie aus dem Bilderbuch präsentiert, bot bis zum 26. Dezember rund 5000 Menschen eine Heimat, eine Existenz. Sie lebten in Holzhütten direkt am Strand von Kallady (einem Stadtteil von Batticaloa), das Meer ernährte sie.

Als die Flut um 9.30 Uhr morgens über ihnen hereinbrach, hatten sie keine Chance. Etwa zehn Meter hoch, so erzählt man in Batticaloa, türmte sich das Wasser auf. Von den Hütten ist acht Wochen nach der Flut nichts mehr zu erkennen. Rund 3000 der 5000 Einwohner des Dorfes kamen bei der Flut ums Leben.

Überlebt haben hauptsächlich die Männer. Viele waren nach dem nächtlichen Fischfang auf dem Markt in der Stadt, um ihren Fang zu verkaufen. Bis dorthin reichte die Welle nicht. Bis auf ihr Leben hat das Wasser ihnen alles genommen: ihre Frauen, ihre Kinder, ihre Häuser, ihre Boote.

Zum Fischerdorf gehörte auch eine kleine katholische Kirche. Auch von St. Mary's steht heute nichts mehr. Die blau gestrichene Fassade liegt über viele Meter verteilt am Strand.

Nicht nur am eigentlichen Strand wütete der Tsunami mit kaum zu begreifender Wucht. Bis zu vier Kilometer weit rauschte das Wasser in die Stadt.

Überlebende in den Camps

Viele Meter vom Strand entfernt stehende und auf den ersten Blick massiv wirkende Häuser wurden zum Spielball der Wassermassen. Kein Stein steht mehr auf dem anderen. Die Bewohner, die sich in der Nähe ihrer Häuser aufhielten, hatten keine Chance.

Acht Wochen nach der Katastrophe ist der Strand leer. Die Menschen gehen nicht zum Strand, haben immer noch große Angst vor dem Wasser. Hier und da ist jemand unterwegs und sucht im Strandgut oder im Schutt der Häuser nach etwas Brauchbarem oder Resten seiner eigenen Existenz. Die Überlebenden sind in den zahlreichen Camps, die die internationalen Hilfsorganisationen aufgebaut haben, untergekommen. Die Straßen und Wege wurden notdürftig von Schutt und Strandgut befreit, so dass Autos fahren können - auch wenn angesichts der Schlaglöcher ein beträchtliches fahrerisches Können von Nöten ist.

Auf den Grundstücken sieht es meist noch aus wie direkt nach der Flut. Schutt, Steine, Kleidung, Fischernetze bilden ein chaotisches Bild.

Einige der überlebenden Hausbewohner kommen zu den Resten ihrer Häuser zurück, nehmen die noch vorhandenen Dinge in Augenschein. Was kann man noch brauchen? Womit kann man möglicherweise einen Wiederaufbau starten? Konkrete Vorstellungen, wie es weitergeht, haben die meisten allerdings nicht.

(Ramona Hammes)


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