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SRI LANKA. Am Strand von Nawaladdy, einem Stadtteil von Batticaloa, wohnten die 18-jährige Thisani und ihre 17-jährige Schwester Roshani zusammen mit ihren Eltern und fünf weiteren Geschwistern. Als die Flut kam, waren die beiden Mädchen zu Besuch bei ihrer Großmutter Nakamma. Die übrigen Familienmitglieder waren zu Hause. Dorthin sollten die Mädchen am Abend zurückkehren.
Seit über zwei Monaten sind sie jetzt nicht mehr dort gewesen. Und sie sind sicher, dass sie nie wieder dorthin wollen. Rund 15 Meter, so erzählen sie, sei die Welle hoch gewesen, die über ihr Elternhaus hereingebrochen sei. Einzig ihr Vater überlebte. Ihre Mutter und die fünf Geschwister (zwei Jungen, zwölf und anderthalb Jahre alt, drei Mädchen, 20, 14 und acht Jahre) kamen ums Leben. Die Mutter wurde später tot gefunden, die Kinder riss das Meer mit sich.
Im Krankenhaus warteten die Mädchen auf Lebenszeichen ihrer Familie. Doch dort erreichte sie nur die Nachricht, dass der tote Körper ihrer Mutter gefunden wurde.
Die Großmutter nahm die beiden Mädchen bei sich auf und versucht nun, sie von ihrer kleinen Rente zu ernähren und ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Derzeit besuchen die Mädchen die zehnte Klasse der Schule in Batticaloa. Wenn die Noten gut sind, werden sie für die nächsten Schuljahre zugelassen und könnten danach zur Universität gehen. Das ist auch ihr größter Traum: Studieren - am liebsten Computerwissenschaft - und dann einen guten Job finden. Wohl in Colombo, denn in Batticaloa gebe es keine Arbeit.
Die Universität und eine gute Ausbildung sind oft die einzige Chance, die ein Mädchen in Sri Lanka hat. Stellen, für die man keine gute Schulbildung benötigt, sind meist den Männern vorbehalten. So dürfen Frauen beispielsweise keine Taxifahrer werden.
Einen guten Ehepartner zu finden - das nennen die Mädchen nicht, wenn sie von ihren Träumen sprechen. Das ist etwas, das in Sri Lanka nicht in der Hand der Mädchen liegt. Normalerweise sind die Eltern dafür zuständig, dass die jungen Damen verheiratet werden. Im Fall von Thisani und Roshani wird dieses wohl die Großmutter übernehmen.
Auf ihren Vater können sie - zumindest derzeit - nicht zählen. Durch die Flut verlor er nicht nur den größten Teil seiner Familie. Das Wasser nahm auch sein Boot, und damit dem Fischer die Arbeit. Jetzt, so erzählen die Mädchen und ihre Großmutter - mehr traurig als verärgert - sei er fast nur auf der Straße unterwegs und ständig betrunken. Nur ab und zu schaue er nach seinen Töchtern. Er unterstütze sie aber in keiner Form. Die Hoffungen von Thisani und Roshani ruhen auf ihrer Großmutter - und einer Ausbildung.
(Ramona Hammes) |
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